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Das 4. Kapitel der Genesis enthält manche Dunkelheit, die bisher nicht befriedigend aufgehellt werden konnte. Die Schwierigkeiten beginnen schon bei dem 1. Vers. Man muss ihn abweichend vom Urtext übersetzen, um eine sinnvolle Übersetzung zu erreichen.
Luther hat sich noch um eine genaue Wiedergabe des Textes bemüht, wenn er übersetzt: "Ich habe den Mann, den Jahwe" (1. Mose 4, 1b). Dem Urtext nach aber müsste es heißen: "Ich habe den Mann erworben (oder gewonnen), den Jahwe."
Da mit diesem Vers aber anscheinend nur die Freude der Mutter über die Geburt eines Sohnes zum Ausdruck gebracht werden sollte, glaubte man sich zur Annahme einer fehlerhaften Textüberlieferung und infolgedessen auch zu einer freien Übersetzung berechtigt. Von Rad gibt daher den Vers mit folgenden Worten wieder: "Ich habe einen Sohn bekommen (?) mit Jahwe (?)." In seinen Erläuterungen aber weist er auf die ganze Fragwürdigkeit dieser Übersetzung bin.
Die Verwendung des hebräischen Zeitwortes "schaffen" oder auch "erwerben" ist seiner Ansicht einer ungewöhnlich für die Bezeichnung der Geburt eines Kindes, ebenso, wie die Verwendung des hebräischen Wortes "Mann" im Blick auf die Geburt eines Kindes sonst nicht gebräuchlich ist.
Rätselhaft ist ihm ferner, dass nach dem urtextlichen Befund "Jahwe" eigentlich akkusativisch übersetzt werden müsste, die einzig mögliche Sinndeutung dieser Stelle aber eine präpositionelle Übersetzung erfordere, für die er sich dann auch selber entschieden hat. Abschließend bemerkt er, die Stelle sei nicht mehr auf zuhellen [9].
Nun könnte dieser Vers schon einen klaren Sinn bekommen, wenn man den Urtext in der Übersetzung einfach stehen lässt. Wenn Eva nach der Geburt des Kain sagt: "Ich habe den Mann, den Jahwe", so berechtigt das doch wohl zu der Annahme, dass sie diese Worte nicht bei der Geburt Kains gesprochen hat. Die Bedenken von Rads bestehen sicher zu Recht, es wäre ungewöhnlich, wenn eine Mutter in dem Neugeborenen schon den Mann gesehen haben sollte. Verständlich werden diese Worte doch erst mit der Annahme, dass sie im Blick auf den schon mannbar gewordenen Kain gesprochen wurden, den die Mutter als Mann und Jahwe erworben hat oder erwerben möchte.
Es spricht einiges dafür, dass die Worte der Eva auf die Inzestneigung des Primitivmenschen anspielen, die dann auch den weiteren Ablauf der Kainsgeschichte entscheidend beeinflussen wird.
Das Inzestverlangen einer Urmenschheit kann natürlich nicht moralisch beurteilt werden. Die Abgeschlossenheit des Hordenlebens, vor allem auch die erzwungene sexuelle Enthaltsamkeit des männlichen und die Hörigkeit des weiblichen Hordenmitgliedes mussten die natürliche Inzestneigung des Menschen zu einer gefährlichen, explosiven Kraft machen. Die absolute Vorherrschaft eines einzelnen konnte den Triebwünschen der Unterdruckten keine Grenzen setzen. Im Gegenteil, sie stimulierten den Wunsch, gerade das Verbotene zu tun.
Und so sehen wir, dass nicht nur der Sohn den Besitz der Mutter erstrebt, sondern die Mutter den Wünschen des Sohnes entgegenkommt, indem sie ihn, soweit die Umstände es zuließen, offen zum Manne begehrt. Ja, es scheint so, als ob die Initiative in diesem Fall von der Mutter ausgeht, die sich so unverhüllt zu ihren Wünschen bekennt. Das Begehren Kains aber schafft sich nur vorsichtig in einem mythischen Bild Ausdruck.
Kain bleibt als ein Ackerbauer den mütterlichen Bezirken eng verbunden. Die Erde ist für alle Völker von jeher ein Muttersymbol gewesen. Auch im Alten Testament ist die Erde ein Bild für die Mutter. So bildet Jahwe den Menschen aus Erde, die er vom Erdboden genommen hat (1. Mose 2, 7). Im 139. Psalm wird der Mutterleib mit der "geheimen Werkstatt der Erde" verglichen, in der der Mensch erschaffen wird (Psalm 139, 15). Die Leidenschaft, mit der Kain seiner Mutter zugetan ist, kommt in der Verzweiflung des Mörders über seine Bestrafung zum Ausdruck. Er glaubt es nicht ertragen zu können, dass der Ackerboden ihm nun nicht mehr gehört, dass er, mit anderen Worten, auf die Mutter verzichten muss. Die Gefahr der Blutrache, der er jetzt ausgeliefert ist, wiegt offenbar nicht so schwer wie das Verhängnis der Heirat-, oder besser gesagt der Mutterlosigkeit.
Der Konflikt, in den Kain mit Jahwe infolge seiner verbotenen Gelüste geraten ist, wird sehr knapp in einem mythischen Bild geschildert (1. Mose 4, 3ff).
Die Vorstellung, die beiden Söhne hätten Jahwe von den Erträgnissen ihrer Arbeit ein Opfer gebracht, ist kaum zu halten. Denn Opferhandlungen setzen einen Kult voraus, von dem hier auch nicht andeutungsweise die Rede ist. Auch eine andere Voraussetzung fehlt, nämlich die räumliche Trennung von Jahwe, der nach den Worten des Textes seinen Söhnen unmittelbar begegnet. Jahwe ist hier an die Stelle Adams getreten, der nach einer kurzen Erwähnung im Anfang der Geschichte überhaupt keine Rolle mehr spielt. Wenn die Söhne nun ihre "Gaben" – diese Übersetzung entspricht genau dem Urtext – vor Jahwe bringen, dann wird man darin eine Art Rechenschaftsbericht sehen können, zu dem die Söhne verpflichtet waren.
Der Hordenvater behält seine Söhne im Auge, und es ist verständlich, dass Abel ihm in seinem Tun unverdächtig erscheint, während die Interessen des Kain, die ihm offenbar nicht verborgen geblieben sind, sein Misstrauen und seinen Zorn erregen. Er schaut mit Wohlgefallen auf Abel, aber "Kain und dessen Gabe sah er nicht an" (1. Mose 4, 5).
Die heftige Reaktion Kains aber macht es wahrscheinlich, dass Jahwe nicht nur mit einem stummen Verweis seinem Zorn und Misstrauen Ausdruck gab. Denn seine scheinbar so väterliche Mahnung lässt erkennen, dass er genau wusste, welche Gefahr ihm von seinem begehrlichen Sohn drohte (1. Mose 4, 7). Er sagt ihm nämlich gleichsam auf den Kopf zu, dass die Sünde vor der Tür lauert, sich in ihm festsetzen möchte, so dass er, Kain, die personifizierte Sünde wird, die die Tür aufbrechen will.
Von Rad weist darauf hin, dass es schon seltsam ist, die Sünde mit einem vor der Tür lauernden Raubtier zu vergleichen. Ungewöhnlich ist ferner, dass in einem Bericht archaischen Charakters die Tür in übertragenem Sinne als Bild gebraucht wird. Es bliebe der Verdacht, so meint er, dass der Sinn dieser Stelle einmal ein ganz anderer war [10].
Diese Vermutung von Rads besteht zu Recht. Er irrt sich aber, wenn er meint, das Bild der Tür passe nicht zu einer archaischen Erzählung. Es gehört nämlich zu den archaischen Bildern, die bis auf den heutigen Tag in den Träumen nachgewiesen werden können und in der Regel für das weibliche Genitale stehen.
Die Bibel selbst bestätigt diese Deutung in einem Scherzwort des Hohenliedes. Der Sänger des Liedes fragt, was zu tun sei, wenn sein unberührtes Schwesterchen eines Tages umworben wird. Folgendes soll geschehen : "Ist sie (die Schwester) eine Mauer, so bauen wir eine Krönung von Silber darauf, ist sie aber eine Tür, so schlagen wir Zedernbohlen davor" (Hoheslied 8, 9).
In diesem Zusammenhang wäre noch nachzutragen, dass das Wort "Sünde" zum ersten Mal in der Kainsgeschichte fällt. Es ist in der hebräischen Sprache ein Hauptwort weiblichen Geschlechtes, wird aber ausnahmsweise im Zusammenhang von Vers 7 männlich konstruiert. Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit dieser Regelwidrigkeit des Sprachgebrauchs absichtlich auf "den nachasch" die Schlange, angespielt wird. Da die Schlange in der Versuchungsgeschichte die Menschen zur Sünde verführt, liegt es nahe, auf den Symbolwert der Schlange hinzuweisen, die in den Träumen ausnahmslos das männliche Genitale vertritt.
Die Hintergründigkeit von Vers 7 aber kommt erst heraus, wenn man entdeckt, dass die letzten Worte des Verses : "nach dir steht ihr Verlangen, du aber sollst Herr werden über sie" (nämlich über die Sünde), genau dem Wortlaut von 1. Mose 3, 16 b entsprechen, wo sie allerdings in einem anderen Zusammenhang stehen und daher auch anders übersetzt werden müssen. Dort heißt es nämlich: "nach deinem Mann soll dein Verlangen sein, aber er soll dich beherrschen" [11].
Sieht man von der Möglichkeit eines Zufalls ab, dann könnte in dieser Wortspiel eine Verspottung des entmachteten Jahwe zum Ausdruck kommen. Der Mensch braucht nun nicht mehr sein Verlangen nach dem Weibe wie eine Sünde zu beherrschen. Die tyrannische Macht des Vaters gehört der Vergangenheit an.
Dem Verlangen der Geschlechter steht nichts mehr im Wege, und der Sohn kann nun ungestraft ein Weib sein eigen nennen. Die Vermutung liegt nahe, dass in der Geschichte Kains die ursprüngliche Fassung des Mythus vom Sündenfall überliefert worden ist. Diese Geschichte berichtet, wenn auch verhüllt, das Ereignis, das zum Zerfall der Horde führte und dem Menschen die Möglichkeit zu einem freieren Leben gab. Denn auch die entscheidende Tat wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach, ursprünglich in diesem Bericht festgehalten, bis diese Erinnerung dann ausgemerzt werden musste, da sie den Mord am Vater zum Inhalt hatte. Eine solche Erinnerung musste ja unerträglich werden, sobald der Ermordete als Gott seine Autorität wieder aufrichtete. Die Menschen hatten daher schon Grund, diese Tat zu vergessen und nach Möglichkeit so zu tun, als wäre sie nie geschehen. Es ist ihnen allerdings nicht gelungen, die Spuren dieser Erinnerung in der Kainsgeschichte restlos zu tilgen.
Im Vers 8 des 4. Kapitels wird berichtet, Kain habe mit seinem Bruder Abel gesprochen. Über das Gespräch selber aber erfahren wir nichts. Es ist weggefallen.
Eine Reihe alter Textüberlieferungen bringt das Sätzchen: "Lass uns aufs Feld gehen." Von Rad bemerkt dazu mit Recht, dass diese belanglosen Worte wie ein Füllsel klingen.
Nun hat es schon seine Bedeutung, wenn man sich veranlasst ah, gewisse Partien des Berichtes einfach zu streichen. An zwei anderen Stellen der Genesis bricht der Text mitten im Satze ab (1. Mose 9, 22 und 35, 22). In beiden Fällen wird etwas unterdrückt, über das man entsetzt war. Es lässt sich nachweisen, dass die Auslassungen durch sexuelle Delikte bedingt wurden, mit denen die Söhne die Autorität ihrer Väter - es handelt sich um Noah und Jakob - angetastet hatten.
Das Gespräch der beiden Brüder wird also einen ähnlichen, wenn nicht stärkeren Anstoß erregt haben, so dass man es für gut hielt, es aus der Überlieferung auszuscheiden. Wenn nun Kain mit seinem Bruder eine wahrscheinlich sehr gewichtige Unterredung hatte, dann bestimmt nicht, um so auf diese Weise den Brudermord vorzubereiten. Wohl aber hatte er allen Grund, sich mit seinem Bruder zu besprechen und seine Bundesgenossenschaft zu suchen, wenn er zum Mord am Vater entschlossen war. Denn nur eine vereinte Brüderschar konnte den Mut zu dieser ungeheuerlichen Tat aufbringen. Die Autorität des Vaters stand ja bisher unerschütterlich fest, sie war nicht nur gehasst und gefürchtet, sondern als väterliche Autorität in ihrer Machtfülle von Kindesbeinen an nahezu göttlich verehrt worden.
Man würde nun allerdings nicht über Vermutungen hinauskommen und die Mordvereinbarung mit einer anschließenden Ausführung der Tat nur als eine mögliche Annahme hinstellen können, wenn nicht der Text im folgenden unauffällig, aber eindeutig darauf hinwiese, dass Jahwe nach der Auseinandersetzung mit seinem Sohn tatsächlich beseitigt worden ist.
Seit der Erschaffung des Menschen bis zu dem Zeitpunkt, an dem Jahwe den rebellischen Kain zur Rede stellt, wird nach dem Bericht des Jahwisten die unmittelbare Gegenwart Jahwes vorausgesetzt. Jahwe begegnet den Menschen, und er redet mit ihnen wie von Mensch zu Mensch. nach der Mordtat an Abel aber begegnet Kain dem Jahwe zum anderen Mal, aber es ist keine persönliche Begegnung, sondern die Stimme Jahwes dringt vom Himmel zur Erde. Jahwe ist nun ein göttliches Wesen geworden, das zwar die Erde noch besuchen kann, aber seine Wohnung im Himmel hat. Denn nun schreit das Blut des ermordeten Bruders zu ihm empor (1. Mose 4, 10).
Der Mord am Urvater führte zur Vergöttlichung des Ermordeten. Der Brudermord hat sicher nicht lange auf sich warten lassen, da sich die Brüder nun zwangsläufig im Kampf um die Mutter entzweien mussten. Sie standen nun vor Problemen, die sie unter der Autorität des Vaters nicht gekannt hatten und die gelöst werden mussten, wenn sie sich nicht gegenseitig zerfleischen wollten. Der Triumph über den Vater war ihnen vergällt. In der frechen Antwort des Kain auf die Frage Jahwes nach dem Bruder spürt man noch das Selbstbewusstsein des Siegers. Es fällt kein Wort ängstlicher Reue.
Aber die Erfahrungen, die der Mensch nach der Auflösung des Hordenverbandes machte, müssen furchtbar gewesen sein. Die Geborgenheit, die ihm ein starker Vater gewährleistet hatte, wurde von einer ruhelosen Unsicherheit abgelöst (1. Mose 4, 14). Hatte man sich bisher nur vor dem Vater fürchten müssen, war jetzt jeder, der einem begegnete, ein möglicher Feind, der einen unversehens totschlagen konnte. Die Mutter war nun vollends unerreichbar, da die Gunst der Mutter dem Bevorzugten die tödliche Feindschaft der Brüder eintragen musste.
Das Gefühl einer großen Hilflosigkeit hat sicher dazu beigetragen, dass das ursprüngliche Bild des Vaters, wie es sich aus dem unmittelbaren Erleben und Erleiden seiner Autorität den Menschen eingeprägt hatte, den nachwachsenden Generationen schon recht bald nicht mehr überliefert werden konnte. Die hassenswerten Züge traten zurück, da der Hass gegenstandslos geworden war.
Dagegen wird man sich noch sehr wohl seiner überlegenen Macht erinnert haben, und die Sehnsucht nach einem Leben in Geborgenheit und Ordnung ließ die Menschen vermutlich nach einem Zeichen ausschauen, die ihnen die ungebrochene Macht Jahwes sichtbar vor Augen stellte.
Es lag ja nahe, in ihrer misslichen Lage eine unmittelbare Folge der Untat zu sehen. Die Rache Jahwes ließ nicht auf sich warten. Sein Geist war es, der sie vom Mutterboden vertrieb (1. Mose 4, 11), ihnen also den Zugang zur Mutter wirksamer verbaute, als es ihm je zu Lebzeiten möglich gewesen war. Wenn nun der Totschlag in der führerlosen Gesellschaft grassierte, dann sah man darin die Rache des Ermordeten, der ihnen so in gleicher Münze heimzahlte (1. Mose 4, 14).
Das göttliche Zorneswalten aber bedingte aber auch gleichzeitig wieder eine Autorität, die, dem menschlichen Zugriff entzogen, als unantastbar gelten konnte. Unter dem Schutz dieser aus Furcht erwachsenen Autorität konnte es dann gelingen, im Namen Jahwes Gesetze zu schaffen, die der Selbstvernichtung Einhalt geboten und die Bildung neuer Gemeinschaftsformen ermöglichten.
Wenn sich nun Jahwe schützend vor seiner eigenen Mörder stellt, indem er die Blutrache an ihm mit drakonischen Strafen belegt (1. Mose 4, 15), dann wird man auf chaotische Zustände schließen können, denen man nur mit einer Art Ausnahmegesetz, hinter dem eine starke Autorität stand, begegnen konnte.
Eigenartigerweise wird am Ende der Kainsgeschichte ganz unbekümmert eingestanden, dass die Tat des Mörders zu guter Letzt Früchte getragen hat, die mit der Unheilsverheißung über Kain nicht recht in Einklang zu bringen sind. Kain steht nicht etwa unter Jahwes Schutz, damit er nun zur Strafe, vom bösen Gewissen geplagt, ruhelos umherziehen muss. Im Gegenteil, man schreibt ihm die Begründung eines städtischen Gemeinwesens zu, so dass er eine der Voraussetzungen geschaffen haben soll, die eine kulturelle Entwicklung der Menschheit ermöglichten (1. Mose 4, 17).
Wäre nun Kain nur ein gemeiner Brudermörder gewesen, dann hätte man ihn wohl auch als einen solchen abgestempelt. Wenn man aber die Lebensleistung Kains, die ja ohne den Vatermord gar nicht denkbar gewesen wäre, so hoch bewertet hat, dann liegt darin doch wohl ein geheimes Eingeständnis, dass man den Stolz auf die Tat des Vatermörders nicht ganz verleugnen konnte.
Der ermordete Vater wurde zwar in nachträglichem Gehorsam göttlich verehrt, denn man hatte ja nach der Untat seines rächenden Zorn zur Genüge kennengelernt. Aber diesem Gehorsam war von nun an ein Überlegenheitsgefühl beigemischt, das sich nie wieder verlieren sollte und in der Geschichte Israels in zahlreichen Rebellionen gegen den Gott der Väter merkbaren Ausdruck fand.
Ein Sohn, der seinen Vater einmal in einer ihn kompromittierenden Situation erlebt hat, mag ähnlich reagieren. Er wird zwar weiterhin in der Abhängigkeit von seinem Vater verbleiben und seine Macht respektieren müssen. Aber auch wenn er ihm in Verehrung zugetan bleibt, wird der wunde Punkt, den er am Vater entdeckt hat, stets in seiner Erinnerung bleiben und zu gegebener Zeit als Waffe benutzt werden, um sich gegen eine erdrückende Autorität des Vaters wirksam zur Wehr setzen zu können.
In der Religion Israels sollte die zwiespältige Haltung gegenüber Jahwe, die einerseits in demütigem Gehorsam, andererseits aber in triumphierendem Trotz zum Ausdruck kam, im Passahmahl am sichtbarsten ihren Niederschlag finden.
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